Videoeditor Dirk Gerhold im Interview: „Ich habe einfach keine Perspektive mehr gesehen. Es wurde ja nie besser.“

Dirk Gerhold pendelte jahrelang als freier Videoeditor zwischen Erfurt und Dresden. Im Juni gab er seine Arbeit bei der MCS an beiden Standorten nach 23 Jahren auf. Heute arbeitet er in seiner Heimatstadt Riesa in einem Betrieb für Automatisierungstechnik. Zum Fernsehen will er nicht mehr zurück. 

FESTEFREIE: Wir haben uns seit deinem Weggang im Juni nicht unterhalten. Wie geht es dir?

Dirk Gerhold: Gut. Ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin. Zum einen wegen der Altersfrage. Ich bin jetzt 52 und das hat man bei Bewerbungen schon zu spüren gekriegt. Man stellt lieber einen jüngeren Bewerber mit wenig Erfahrung ein, der vielleicht noch einen Haufen Fehler macht, als mich, für die restlichen paar Jahre. Und der zweite Grund ist das Geld. Meine finanzielle Lage ist im Laufe der Zeit bei der MCS immer schlimmer geworden. 

FESTEFREIE: Mit 52 hast du ja noch 15 Arbeitsjahre, kein Grund, sich zurückzulehnen! Finanziell läuft es also besser im neuen Job? 

Dirk Gerhold: Ja, klar. Gerade in Anbetracht der Sachen, die man nicht absehen konnte. Der Anstieg der Benzinkosten zum Beispiel. Das kann man ja nicht umlegen. 

Ich kann ja nicht sagen: Ups, seit gestern kostet der Sprit fast das Doppelte, also wenn ich jetzt nach Dresden fahre, muss ich jeden Tag leider neun Euro mehr verlangen

FESTEFREIE: Hast du deshalb bei der MCS aufgehört? 

Dirk Gerhold: Nein, ich habe schon länger überlegt, dass ich bei der MCS nicht alt werde. Ich kenne auch keinen freien Cutter, der bis zur Rente in diesem Job arbeitet. Und ständig unterwegs zu sein, irgendwann wird das auch zur Belastung. Das ist Zeit, die dir im Leben fehlt, wenn du jeden Tag eine Stunde irgendwohin fährst. In Erfurt hatte ich noch dazu eine Zweitwohnung, das war ein enormer Kostenfaktor. 

FESTEFREIE: Seit wann hast du als Videoeditor gearbeitet?

Dirk Gerhold: Seit … (überlegt) … seit 1997.

FESTEFREIE: Wow!

Dirk Gerhold: Gestartet bin ich beim Stadtfernsehen in Riesa und 1999 bin ich zur MCS Thüringen gekommen. Ich habe auch als Kameramann gearbeitet.

FESTEFREIE: Und wo arbeitest du jetzt?

Dirk Gerhold: Bei einer kleinen Firma in meiner Heimatstadt Riesa, die sich mit Automatisierungstechnik beschäftigt. Es passt alles von den Arbeitszeiten, es ist nicht langweilig oder eintönig, sondern ausgewogen. Und ich verdiene mehr als vorher und habe die Wochenenden frei.

FESTEFREIE: Die Arbeit macht dir Spaß?

Dirk Gerhold: Absolut!

FESTEFREIE: Was hätte sich außer der Bezahlung bei der MCS ändern müssen, damit du bleibst?

Dirk Gerhold: Ganz einfach: mehr Wertschätzung. Bei manchen Leuten war die Wertschätzung da, aber eben nicht bei allen.

FESTEFREIE: Vermisst du das Fernsehen als Job, als Tätigkeit?

Dirk Gerhold: Ja. Es ist schon mein Leben. Und man könnte sagen, der ständige Spardruck meiner Auftraggeber hat mein Leben kaputtgemacht, mein Lebensmodell sozusagen. Und deswegen ist mir das alles auch nicht leichtgefallen. Aber ich habe einfach keine Perspektive mehr gesehen. Es wurde ja nie besser. 

Die fehlende finanzielle Perspektive war der ausschlaggebende Punkt, die Branche zu verlassen

FESTEFREIE: Schneidest du noch Sachen in deiner Freizeit? 

Dirk Gerhold: Natürlich. Ich habe immer noch Veranstaltungen wie die Sommerakademie, mit einem Abschlusskonzert mit vier bis sieben Kameras, das mache ich noch als Nebenjob. Das raubt mir auch gerade meine neu gewonnene Freizeit. 

FESTEFREIE: Wenn dein Sohn eines Tages zu dir käme und sagen würde, er möchte zum Fernsehen, würdest du sagen: Toll, unterstütze ich?

Dirk Gerhold: Puh, schwierige Frage. Ich würde ihn natürlich unterstützen, aber ich freue mich auch, dass er sich eher für andere Sachen interessiert. Und es ist, glaube ich, allen klar, dass sich beim Fernsehen etwas ändern muss. Ich denke, dass die nachfolgenden Generationen mit dem linearen Fernsehen nichts mehr anfangen können. Wir brauchen öffentlich-rechtliches Fernsehen. Aber es muss alles anders machen.

FESTEFREIE: Du warst von Anfang an bei unseren Tarifverhandlungen dabei, hast unsere Forderungen mit entworfen und auch mit gestreikt. Diese Forderungen stehen immer noch auf der Agenda. Was würdest du deinen früheren Kollegen wünschen?

Dirk Gerhold: Dass ihre Forderungen in Erfüllung gehen. Aber ihr wisst ja selber, wie schwierig es ist, all diese Baustellen abzuarbeiten. 

FESTEFREIE: Kommst du dann wieder zurück, wenn das klappt?

Dirk Gerhold: Nee. (Lacht)

FESTEFREIE: Wie ist es dir bei dem Streik gegangen?

Dirk Gerhold: Ich hatte Bedenken. Nicht unbedingt Schiss. Aber ich war erschüttert, dass die Arbeitgeberseite den Streik einfach acht Tage lang ausgesessen hat. Das war völlig unnötig. Wir wollten ja nur, dass sie in Verhandlungen mit uns eintreten. Und das hätten sie auch schon am zweiten Tag machen können. Die acht Tage waren zu lang. Das hat die gar nicht interessiert. Deshalb war für mich klar: Da kommt nicht viel in Sachen Honorarerhöhung oder wenigstens ein Ausgleich für die ganzen Teuerungen über all die Jahre. Und es ist ja auch fast nichts gekommen. Die vier Prozent jetzt sind zwar schön, aber, na ja …

FESTEFREIE: Sie reichen nicht?

Dirk Gerhold: Genau. Und ich habe gesehen, wie schwierig es war, überhaupt bis zu diesem Punkt zu kommen. Ich sehe es als Erfolg, dass es eine Einigung gab, und dass etwas dabei herausgekommen ist. Aber die vier Prozent hätten mich nicht gehalten.