Unser langer Weg zum ersten Tarifvertrag

Als im Dezember 2021 eine kleine Gruppe freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in gelben Warnwesten vor dem MDR-Landesfunkhaus in Dresden streikten, sorgte das für Verwunderung. Jahrelang hatte sich im Universum der MDR-Enkeltochter, die für den MDR in Dresden Technik und Produktionsdienstleistungen bereitstellt, in Sachen Arbeitsbedingungen und Vergütung nicht viel bewegt. Nun standen Freiberufler mit einer Gewerkschaft im Rücken vor der Tür und stellten Forderungen. Was war da los? Der Streik, der zum ersten Tarifvertrag der MCS-Firmengeschichte führte, war nur der Schlusspunkt auf einem langen Weg, der schon vier Jahre zuvor begonnen hatte. Ein Erfahrungsbericht der Streikteilnehmer.

Wir Freie waren schon lange unzufrieden mit der Stagnation der Honorare bei der MCS Sachsen. Im Herbst 2018 trafen wir uns zum ersten Mal außerhalb des Funkhauses und brachten alle Probleme, Sorgen und Nöte auf den Tisch: Honorare, soziale Absicherung, Urlaub. Schnell war klar: beim Thema Honoraranpassung zeichnete sich der größte Handlungsbedarf ab. Während die Tageshonorare auf dem freien Markt seit Jahren kontinuierlich in die Höhe gingen, passierte bei uns so gut wie nichts. Und das seit teilweise über 20 Jahren. Vor allem für die Rechnungssteller klafften die Honorare zwischen der MCS Sachsen und den meisten freien Firmen um mehr als ein Drittel auseinander. Manche Kollegen überlegten damals bereits, die Firma oder gar die Branche zu verlassen – und einige haben das später tatsächlich auch gemacht.

Als Selbständige sollten wir unsere Honorare eigentlich mit unserem Auftraggeber verhandeln. Aber immer, wenn das jemand bei der MCS versucht hat, ist er abgeblitzt, mit der Begründung, dass der MDR keine höheren Sätze für das Personal bezahlen würde. Jeder bekam den gleichen von der Firma vorgegebenen Tagessatz, und dieser änderte sich über viele Jahre nicht. Die MCS ist für den Mitteldeutschen Rundfunk in Dresden der größte Videoproduktionsanbieter. Niemand von uns konnte im Alleingang mit der Geschäftsleitung wirklich ergebnisorientiert verhandeln. Deshalb holten wir den Leipziger Verein fairTV e. V. ins Boot. Seit Jahren hilft er Freien, ihre Honorarforderungen gegenüber Fernsehproduzenten durchzusetzen. Doch schon das erste Gespräch des fairTV-Vorstands mit unserem Auftraggeber endete in einer Sackgasse, denn die MCS-Geschäftsführung erteilte weiteren Gesprächen mit fairTV eine Absage.

Unsere letzte Chance war die Gewerkschaft ver.di, die auch mit dem MDR für seine Freien einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Unsere Hoffnung war, dass eine Firma, die fast ausschließlich von Rundfunkgebühren lebt, eine so große Gewerkschaft nicht ignorieren würde. Nachdem ein großer Teil der Freien bei ver.di Mitglied geworden war, gab es im Juni 2021 ein erstes Sondierungsgespräch zwischen ver.di und der MCS Sachsen, im November dann ein weiteres Treffen. Leider schloss die Geschäftsführung der MCS in beiden Gesprächen Tarifverhandlungen kategorisch aus. Für uns war das ein Schock. Aufgeben war jedoch keine Option. Und so kam es, wie es kommen musste: An einem Montag im Dezember folgten wir dem Aufruf der Gewerkschaft zum Streik vor der Tür des Landesfunkhauses, um Tarifverhandlungen mit der MCS zu erzwingen.

Unser Streik dauerte acht Tage. Mehrere Tageszeitungen und Internetportale berichteten darüber. Nur beim MDR selbst wurde unser Streik mit keiner Silbe im Programm oder auf dem Internetportal erwähnt. Wir erhielten viele Solidaritätsbekundungen, auch von Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion des MDR, die seit Jahren täglich mit uns zusammenarbeiten. Unsere festangestellten MCS-Kollegen allerdings waren über unseren plötzlichen Ausfall mitten im Vorweihnachtsstress nicht gerade begeistert. Familie und Freizeit kamen durch die Personalengpässe in der Coronazeit sowieso schon oft zu kurz. Es fehlten Mitarbeiter an allen Ecken und Enden. Während des Streiks musste die MCS deshalb fortlaufend Personal aus anderen Standorten der Holding in Dresden einsetzen, um die Lücken zu füllen. Es war ein Ausnahmezustand, den sich niemand von uns gewünscht hatte. Monatelang hatte die Gewerkschaft für Tarifverhandlungen bei der MCS an die Tür geklopft – vergebens. Der Streik war für uns nur das letzte Mittel.

Am Ende hatten wir Erfolg: Die MCS-Geschäftsführung erklärte sich zu Tarifverhandlungen bereit, die im März 2022 begannen. Es gab drei Verhandlungsrunden. Die Gespräche kamen nur langsam voran, aber sie endeten mit einem Tarifabschluss, dem ersten der Firmengeschichte. Wir sind stolz, dass wir das geschafft haben. Es ist ein Anfang, und darauf wollen wir aufbauen.