Tarifverhandlungen Nr. 2 + MDR-Mitarbeiterversammlung + MDR-Freienratssitzung

„Ein riesiger Dampfer dreht sich nicht in ein paar Minuten, aber ich glaube daran, dass er es kann“, so beschrieb eine freie Mitarbeiterin ihre Sicht auf die Gesamtlage in der MDR-Mitarbeiterversammlung.

Der MDR als schwerer Dampfer – dieses Bild wird der Sender wohl so bald nicht los. Doch in zunehmend rauem Fahrwasser, mit seinen schnellen Beibooten, aka Tochterfirmen, im Schlepptau, mehrten sich zwischendurch die Zeichen, dass es Bewegung gibt am Steuer. Vielleicht sogar Anzeichen für einen vorsichtigen Kurswechsel. Zumindest hat auf dem Dampfer mal jemand über die Reling geschaut und gesehen, dass da eine größere Gruppe Menschen in der Holzklasse nebenherfährt, und rudert und rudert und rudert. Und dass man Gefahr läuft, dass diejenigen, die rudern können und wollen, immer häufiger von Bord gehen.

Man müsse sich mehr um die MCS kümmern, sagte deshalb MDR-Intendantin Karola Wille in der Mitarbeiterversammlung am 6. Dezember mit fast 1.000 Teilnehmern. Der MDR wisse um die Vergütungsthemen mit den Töchtern und wolle dort in Zukunft mehr hinschauen, vor allem wenn es um Wertschätzung gehe. Die neuen Tarifverhandlungen mit der MCS Sachsen liefen gut und seien im nächsten Jahr abgeschlossen. Die ausgehandelten Tarifverträge würden dann für alle Töchter gelten.

Ähnlich klang es in einem Treffen von MDR-Personalrat und MDR-Freienrat mit Boris Lochthofen, Geschäftsführer der MDR-Media. Man wolle bei der MCS in Zukunft auf mehr Wertschätzung für die Mitarbeiter achten, sowie auf Vergütungsebene nach und nach die Schere schließen, sagte Lochthofen. Im Januar plane er auch ein persönliches Treffen mit den freien MCS-Mitarbeitern im MDR-Landesfunkhaus Sachsen.

Mehr Wertschätzung, Tarifverträge, die Vergütungsschere schließen und eine bessere Mitarbeiterführung – das klingt alles schon ein bisschen wie Weihnachten. Geschenke gab es jedoch in der zweiten Verhandlungsrunde für den §12a-Tarifvertrag der MCS keine, genauso wenig wie ein Angebot für einen Inflationsausgleich, das diese Bezeichnung wirklich verdient. Die zaghafte Vorwärtsbewegung bei den Themen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlter Tarifarbeit ist eher eine Bewegung in Zeitlupe, von vormals „gar nichts“ hin zu „wenig“. Der Dampfer dreht sich wirklich nur sehr langsam. Vielleicht steckt er auch fest, wie die “Ever Given“ im Suezkanal.

Und nun kam kurz vor der dritten Verhandlungsrunde auch noch bitterer Nachschlag von der Arbeitgeberseite. Denn bei der Bezahlung halber Schichten – noch vor einigen Wochen auf einem guten Weg, nämlich dem Weg nach oben – tritt die MCS unverhofft den Rückzug an: von ursprünglich vorgeschlagenen 70 Prozent des Tageshonorars zu nur noch „mindestens 50 Prozent“ bei bis zu 62 Prozent der Tagesarbeitszeit, aka 5 Stunden.

Die ungeliebten 5-Stunden-Schichten – die Tarifkommission hatte sich zum Ziel gesetzt, sie loszuwerden, stattdessen sollen sie jetzt auch noch schlechter bezahlt werden können. Dazu keine Einigung beim Honorar, beim Urlaub, beim Geltungsbereich. Der Frust ist groß bei Verhandlungs- und Tarifkommission:

Wir sind von dem Angebot enttäuscht. Alles in allem sehe ich keine Bereitschaft der Arbeitgeberseite, wirklich Veränderungen zu wollen.

Mitglied der Tarifkommission

Auch Detlef Heuke von ver.di, noch vor zwei Wochen äußerst optimistisch und überzeugt, die Verhandlungen im Januar pünktlich abschließen zu können, gibt sich inzwischen eher skeptisch:

Das dritte Angebot der Arbeitgeber geht auf Themen, die wir in der zweiten Verhandlungsrunde platziert hatten, wie Urlaub oder prozentuale Erhöhung der Honorare, in keiner Weise ein, im Gegenteil: Es gibt Verschlechterungen. Die Antwort der Tarifkommission ist klar: Verhandlungen gibt es nur mit einem verhandlungsfähigen Angebot. Dies ist keines.

Wie es jetzt weitergeht, ist offen. Die Tarifkommission hat ihre Stellungnahme an die MCS geschickt und wartet auf ein neues Angebot. Die nächste Verhandlungsrunde in Leipzig ist vorerst aufgeschoben, eine Einigung bis Ende des Jahres durch die plötzliche Kehrtwende der Arbeitgeberseite nicht mehr in Aussicht. Kein gutes Signal auch für die festangestellten Kollegen, die in Thüringen und Sachsen-Anhalt für ihre eigenen Tarifverhandlungen bereits in den Startlöchern stehen.